Angels Abschied Angel erwachte jäh. In den ersten Momenten der Desorientierung glaubte er, es sei ihm kalt. Doch die Decke zurechtzurücken half nicht. Die Kälte war emotional, sie war ein Echos eines Traumes, einer finsteren Vision, die ihn im Schlaf geplagt hatte. Kälte. Resignation. Hoffnungslosigkeit. Langsam kamen die Bilder zurück. Ihm war auf unheimliche Weise klar, dass er nicht wirklich geträumt hatte. Er hatte durch die Augen eines realen Menschen gesehen, seinen tiefen Schmerz nachempfunden. Je deutlicher die Erinnerung zurückkehrte, desto klarer wurde es ihm, wie harmlos seine eigenen Probleme waren, wie beschämend unangemessen seine Art war, sein Schicksal immer und immer wieder apathisch zu beklagen. Jetzt aber hatte er die tiefe Leere erlebt, die entsteht, wenn einem das Liebste genommen wird. Buffy lebte ja noch, er selbst hatte die einzig richtige Entscheidung getroffen, Sunnydale zu verlassen. Er gestand es sich nicht gern ein, aber Spike hatte ihm die Augen geöffnet. Ausgerechnet Spike, den er immer gehasst hatte. Aber in diesen Momenten bitterer Erkenntnisse über sich selbst erkannte Angel, dass er Spike immer bewundert hatte. Dieser war so unbeirrt, viel selbstsicherer: "cooler" hätte Xander wohl gesagt. Angel hatte stets versucht, es Spike gleichzutun, aber er war immer nur ein fader Abklatsch gewesen, ein Lakai, ein verzichtbarer Bauer im Spiel des Bösen. Auch Drusilla hatte letztlich nur mit ihm gespielt. Angels Erinnerung an seinen Traum wurde fast schlagartig klarer, als ob sich ein Nebel gelüftet hätte, vielleicht durch ein Geräusch oder ein unklares Gedankenfragment, das die richtigen Assoziationen geweckt hatte. Der andere, den er gesehen hatte, er war nicht an einer aussichtslosen Liebe gescheitert. Er hatte eine Entscheidung getroffen und unbeirrt seinem emotionalen Zentrum die Treue gehalten. Ja, es hatte auch glückliche Zeiten gegeben, aber die waren nur wie eine Momentaufnahme gegen den Schmerz, den jene Mission des Herzens mit sich gebracht hatte. Gefühlsnarben hatten sich in die Seele des Unglückseligen gegraben. Angel glaubte, selbst am Ort des endgültigen Wendepunkts zu sein. Dort, bei eisiger Kälte in der Hauptstadt eines Staates, der ein benachbartes stolzes Volk unterjocht hatte... Hier sollte, ja musste für die verzweifelten Mannen dieses Stammes die Wende zum Guten erfolgen. Keine endgültige Erlösung war denkbar, es ging nur darum, ein winziges Pflänzchen Hoffnung zu erhalten. Doch grausam schlug das Schicksal zu, erstickte das flehende Hoffen schon im Ansatz. Und nun erlebte Angel noch einmal eine Probe jenes fürchterlichen Empfindens: wenn man nicht einmal mehr Schmerz spürt, weil totale Verzweiflung alles überdeckt. Ja, wenn man sich an jene Schmerzen gleichsam nostalgisch zurückerinnert, weil sie wenigstens bewiesen, dass es noch Hoffnungen gab, die enttäuscht werden konnten. Noch etwas hatte Angel gespürt. Dieser andere, der letztlich nicht zu trösten war, der temporäre Momente der Freude erlebte, nach denen ein scheinbar befreites Lächeln aber immer jäh erstarrte, wenn sich die verdrängte Wahrheit wieder Raum verschaffte... Dieser andere hatte einen sehnlichen Wunsch , der ihm etwas Linderung verschaffen konnte. Er wünschte Angels Tod. Schon einmal war Angel an diesem Punkt gewesen, hatte den Freitod erwogen, sich aber von Buffy und einer rätselhaften meteorologischen Erscheinung retten lassen. Diesmal aber war er entschlossen. Buffy war fern. Sie hätte auch nichts ausrichten können. Nicht dieses Mal. Angel stieß die Tür entschlossen auf. Diese Entschlossenheit, dachte er, warum hatte ich sie nie, als ich noch existieren wollte? Warum habe ich mein Leben als Jammergestalt geführt? Das Sonnenlicht traf ihn. Er spürte den Schmerz, aber er verblasste immer noch gegenüber dem, was er im Traum gesehen hatte. Den schmächtigen Jungen, zwischen Menschen und doch allein, mit Empfindungen der Trauer, die er nicht verarbeiten konnte. Das letzte, was Angel vor seinem inneren Auge sah, war eine Phrase, die er nicht verstand, aber er sah wieder diesen schüchternen Knaben, der bei einem seltsam Spielritual beträchtliche Leidenschaft entfaltete. Ein Name tauchte auf: "Myers", ja, so hieß der magere Bursche dessen Loyalität einer besonderen Vereinigung galt. Angel starb ohne Angst, er wusste für wen er es tat, und er sah, bevor alles für immer verschwamm, jene geheimnisvolle Zeile wieder: "Der KSC endgültig am Ende".